Eike Geisel – Essays und Polemiken
Essays über den deutsch-jüdischen Verbrüderungskitsch, über die Entsorgung deutscher Vergangenheit, über den Jüdischen Kulturbund und über das Berliner Scheunenviertel.
»Some of my best friends are German«, machte sich Eike Geisel gerne über das antisemitische Stereotyp lustig, demzufolge einige Juden zu den besten Freunden zählen. Eike Geisel war aber nicht nur ein unnachgiebiger Kritiker des deutsch-jüdischen Verbrüderungskitsches und der Entsorgung deutscher Vergangenheit, sondern machte als Historiker mit seinen Arbeiten u.a. über den jüdischen Kulturbund und das Berliner Scheunenviertel aufmerksam.
Dieser Band versammelt Geisels große essayistische Arbeiten wie über den Antisemitismus des »anderen Deutschland« und den Mythos vom Widerstand des 20. Juli.
»Die Deutschen haben sich nie als Bürger dieser Welt, sondern immer als Verdammte dieser Erde gesehen. Auch die Wiedervereinigung hat daran nichts geändert. Gab es vor dem Fall der Mauer 60 Millionen Opfer, so hat sich deren Zahl nun um 17 Millionen Insassen einer Einrichtung erhöht, die nicht nur der Kanzler schon vor 1989 als Konzentrationslager bezeichnet hatte.«
Eike Geisel
Eike Geisel, freier Autor und Übersetzer von Hannah Arendt und Jane Kramer, kuratierte u.a. eine große Ausstellung über den Jüdischen Kulturbund und drehte Filme über dasScheunenviertel und die Eichmann-Kontroverse.
Eike Geisel starb am 6. August 1997.
Pressestimmen
»Aus Geisel spricht eine ebenso kluge wie scharfzüngige Wut, und zwischen Ironie und Zynismus schafft sich eine große Ernsthaftigkeit Platz. Jüngere Leser haben mit dem Buch auch eine Zeitkapsel in der Hand, die Einblick in frühere deutsche Debatten gibt. Man entdeckt aber immer wieder Einsichten von geradezu unheimlicher Aktualität.«
Tobias Prüwer, Jüdische Allgemeine
»Jenen, die sich mit den deutschen Verhältnissen einverstanden erklärt haben, gilt Geisel […] seit je nur als Polemiker, denn bei ihnen soll ja ‘der Gedanke daran, dass es unabgegoltene Rechnungen in der Geschichte gibt, nicht aufkommen’. Bürgte gerade die apodiktische Form Geisels für die Triftigkeit der Erkenntnisse, denunzierten seine Gegner meist die Form, wo sie doch den Inhalt meinten. Dabei spitzte Geisel die Realität in seinen Texten nicht zu, vielmehr dokumentierte er die längst zugespitzte Realität und brachte sie auf den Punkt. Geisel hatte keine Utopie mehr aufzubieten. Er beharrte auf dem Riss, ‘der irreparabel durch die Geschichte geht’. Gerade indem er fortwährend auf dieses Unabgegoltene und Irreparable in der Geschichte verwies, hielt er an der Idee eines gesellschaftlich Anderen doch fest.«
Arthur Buckow, Jungle World
»Geisels Polemiken der Neunziger müssen vor dem Hintergrund sich radikalisierender rassistischer Gewalt gelesen werden, auf die Gesellschaft und Politik mit Lichterketten und der faktischen Abschaffung des Asylrechts reagierten. Invektiven gegen die Heroisierung der freundlichen Nazis vom 20. Juli, gegen die „nationale Kranzabwurfstelle“ der Neuen Wache und das Holocaust-Mahnmal verschränkte er mit Verweisen auf „national befreite Zonen“ und die Pogrome in Hoyerswerda und anderswo. Das eine hatte für ihn mit dem anderen zu tun.«
Ulrich Gutmair, taz
»An Geisels Werk, überwiegend Vorträge, Essays, Zeitungsartikel, lässt sich zeigen, wie wenig die Deutschen, die ‘das erste Opfer Hitlers’ (Geisel) gewesen sein wollen, bis heute von ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit begriffen haben und warum die unermüdlichen Schlussstrichzieher und -setzer, spätestens seit der sogenannten Wiedervereinigung so heftig eine ‘neue Normalität beschwören’ (Geisel), die nicht eintreten will. […] So geht das bis heute: dem Ausland die Komödie vom Land der edlen Seelen vorspielen, während hinter den Kulissen der Ausbruch der Barbarei nur mühsam zu unterdrücken ist. Diese ‘unmittelbare Nähe von moralischen Glühwürmchen und kaltblütiger Exekutive’ hat Geisel wahrgenommen, immer wieder. Was er dazu gesagt hätte, dass in Deutschland unerwünschte, weil bestenfalls als unnütz betrachtete Menschen heute nicht mehr nur kaserniert oder gewaltsam außer Landes gebracht, sondern außerhalb der deutschen Grenzen militärisch bekämpft werden, kann man vielleicht erahnen.«
Thomas Blum, Neues Deutschland
»Niemand hat diese nur selten lustige Farce, die sich Vergangenheitsbewältigung nennt, besser verstanden als der 1997 verstorbene Publizist Eike Geisel … Doch Geisel gehört zu der nicht so häufigen Art von Denkern seiner Generation, die Heucheleien von links ebenso verabscheuen wie von rechts, dabei aber stets anti-konservativ bleiben … Wie W.G. Sebald – die andere große Ausnahme der Generation 45 – ist er viel zu früh gestorben.«
Fabian Wolff, Tagesspiegel
»Das Buch ist Antidot gegen die moralisierenden Imponiervokabeln der Gegenwart. Geisels bösartige Eleganz des Scharfsinns hat man ihm zu Lebzeiten nicht verziehen. Wenigstens jetzt sollte man einen der besten Stilisten, die wir je hatten, lesen.«
Stefan Gleser, hagalil.com
»Eike Geisel gehörte zu der raren Gattung der materiell wie intellektuell Unkorrumpierbaren. In seinen Artikeln hat Geisel stets den moralischen Analphabetimus ins Visier genommen, den staatsoffiziellen ebenso wie den der linksalternativen Gutmenschen.«
Allgemeine Jüdische Wochenzeitung
»Hier ist von Anpasserei, Lügen und Doppelmoral die Rede. Hier bleibt einem manche Formulierung im Halse stecken, und das war beabsichtigt. Keine leichte Kost, aber klar und unverblümt formuliert, häufig gallebitter, selten humorvoll, garantiert nicht ausgewogen und manches Mal mit dem Hang zur Besserwisserei. Nachsicht hatte der Leser nicht zu erwarten, dazu erschienen Eike Geisel die Zustände in diesem Land viel zu selbstgefällig. […] Hier schrieb einer, der nicht an Denkfaulheit ersticken wollte.«
Stefan Berkholz, Süddeutsche Zeitung via Hagalil
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