Frankreich, 1980er Jahre:
Es gab eine Reihe von Bombenanschlägen auf Synagogen und auch die jüdische Gemeinde in Nizza ist besorgt. Einige der Gemeindemitglieder organisieren sich gegen die rechte Bedrohung und gründen einen Wachschutz um das Gotteshaus zu schützen, darunter auch Joann Sfar. Es war auch die Zeit, in der der Front National offen antisemitisch auftrat und noch nicht vorgab, eine Partei wie alle anderen zu sein.
Sfar gewährt sehr persönliche Einblicke in seine Jugend und auf seinen familiären Background: „Mein Großvater war ein Kriegsheld der sich weigerte, überhaupt irgendetwas über den Krieg zu erzählen. Mein Vater auf der anderen Seite war der Anwalt vieler Gangster aus Nizza und hatte einige Neonazis ins Gefängnis gebracht. Er wurde wegen seines politischen Engagements bedroht und versteckte Gauner im Kofferraum seines Alfa Romeo bis zum Gericht. Ich sah ständig, wie er sich prügelte. Das faszinierte und traumatisierte mich gleichermassen.“
Joann Sfar gehört sicherlich zu den interessantesten europäischen Szenaristen und begabtesten französischen Zeichnern. Sein Output an Arbeiten ist unglaublich. So existieren bereits über 100 Alben und Bücher im französischsprachigen Raum. Allein seine beim Verlag L’Association binnen eines einzigen Jahres veröffentlichten autobiografischen Notizbücher Harmonica, Ukulélé, Parapluie und Piano umfassen insgesamt rund 1.200 oft eng beschriebene Seiten. Zudem machen diese Publikationen nur einen Teil der großen Sfarschen Produktion aus. Denn es erschienen unter anderem auch noch neue Alben seiner Serien Donjon, Desmodus, Grand Vampire, Professor Bell, Klezmer und Die Katze des Rabbiners.
Der Franzose scheint geradezu omnipräsent – dabei wechselt er beständig die Genres: Fantastische Geschichten, Abenteuer, mystische Folklore, Science Fiction, Autobiografisches und Heroic-Fantasy wechseln sich im Werk von Sfar beständig ab. Zudem ist er mittlerweile zu einem bekannten Kinderbuchautor avanciert.
Geboren wurde Joann Sfar am 28. August 1971 in Nizza. Beeinflusst von den Erzählungen und Mythen seines jüdischen Elternhauses begann er schon früh mit dem Zeichnen eigener Geschichten. Sein Weg führte ihn über ein Philosophiestudium schließlich zur Kunsthochschule und anschließend zum Comiczeichnen. 1996 erschien sein erstes Album.
Als seine Vorbilder sieht er Fred, Baudoin und Pierre Dubois (Dubois ist auch Vorbild für die Figur seines Minuscule Mousquetaire). Inzwischen schreibt und zeichnet Sfar für fast alle größeren französischen Verlage eigene Reihen. Zusammen mit Lewis Trondheim zählt Sfar mittlerweile zu den Autoren, die den französischen Comic erneuern. Dabei liegt ihm nichts an der Perfektion der klassischen Vorbilder wie der Ligne Claire eines Hergé, ganz im Gegenteil: Sfar interessiert sich mehr für den persönlichen Ausdruck seiner Zeichnungen, lässt Fehler zu und scheint auf der Suche nach der „Unperfektion“. Dies gilt auch für den Figurenkosmos, den er entwirft. Immer wieder trifft man seine Charaktere außerhalb ihrer eigenen Reihe in den Alben einer anderen Serie wieder.
2010 debütierte Sfar als Regisseur des vielbeachteten Spielfilms Gainsbourg. 2011 folgte Die Katze des Rabbiners als abendfüllender Zeichentrickfilm.
Auch neben seiner Arbeit als Regisseur findet er noch Zeit, weitere Comicalben zu zeichnen.
Beim avant-verlag erschien von Joann Sfar zuletzt Die Katze des Rabbiners in mittlerweile vier Sammelbänden, im Herbst wird dann sein neuestes Buch Die Synagoge erscheinen.
Pressestimmen
Frankreichs Starzeichner Joann Sfar („Die Katze des Rabbiners“) blickt in seiner sehr persönlichen Graphic Novel „Die Synagoge“ auf schwierige Familienverhältnisse und sein kompliziertes Verhältnis zum jüdischen Glauben zurück. […] Seine Erinnerungen hat er als produktives (oft auch komisches) Durcheinander aufgeschrieben, mit Zeit- und Gedankensprüngen, gezeichnet mit Sfars typisch kribbeligem Strich.
Martina Knoben, Süddeutsche Zeitung
Sfar erzählt wie immer trotz des ernsten Themas mit viel Humor und Ironie. Denn auch wenn er gerne ein Held wäre, enden viele seiner Begegnungen mit Antisemiten eher absurd als heroisch. Zum Beispiel die mit einem Nazi-Skinhead, mit der er sich wider Willen fast anfreundet.
Lars von Törne, Tagesspiegel, 22.10.23
Joann Sfars „Die Synagoge“ ist somit ein scharfsinniger Blick zurück – durch die aktuellen Geschehnisse allerdings auch ein erschreckend aktueller in die Gegenwart. Eigentlich als das bislang stärkste autobiografische Stück des französischen Starzeichners angelegt, zeigt „Die Synagoge“ all die Probleme auf, mit dem das jüdische Volk seit langer Zeit zu kämpfen hat.
Jens Greinke, Westfälischer Anzeiger, 6.11.23
Manchmal gibt es Bücher, die erscheinen ungewollt zur richtigen Zeit. „Die Synagoge“, eine Graphic Novel des französischen Comic-Autors Joann Sfar, ist so ein Buch. Denn zumindest die deutsche Übersetzung ist gerade erst auf den Markt gekommen – und könnte deshalb aktueller fast nicht sein.
Kay Wagner, BRF Radio
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